Gesundheitsbezogene Werbung – erlaubt?

Die Health Claims Verordnung der EU regelt, unter welchen Voraussetzungen Lebensmittel und andere Gesundheitsprodukte mit gesundheitsbezogenen Angaben werben dürfen.

 

Die Verwendung gesundheitsbezogener Werbung ist unionsweit strengen Auflagen unterstellt. Besonders Vertreiber von Gesundheitsprodukten stehen daher regelmäßig vor der Frage, inwiefern sie mit gesundheitsbezogenen Aussagen für Nahrungsergänzungsmittel, Diätprodukte, Kosmetika & Co werben dürfen. Grundsätzlich ist immer dann Vorsicht geboten, wenn ein Wirkungszusammenhang zwischen dem beworbenen Produkt und dem körperlichen Organismus hergestellt wird. Hierbei handelt es sich um gesundheitsbezogene Angaben, welche nur zulässig sind, wenn die behauptete Wirkung auch tatsächlich wissenschaftlich nachgewiesen werden kann, wie das OLG Bamberg (Hinweisbeschluss v. 25.09.2017, Az: 3 U 117/17) vor Kurzem nochmals bestätigte.

 

In dem betreffenden Fall hatte das Gericht über die Zulässigkeit einer Werbung für ein Kosmetikprodukt zu entscheiden, welches die Beklagte mit Aussagen wie „Ernährung der Haut“, die Förderung des „Stützgerüstes der Haut“ und die „Ernährung der Collagenstränge“ bewarb. Weiterhin sei in diesem Zusammenhang behauptet worden, die Struktur der Haut breche, wenn die „Collagenstränge nicht ernährt werden“, stellte das Gericht fest. Bei diesen Aussagen handle es sich um gesundheitsbezogene Angaben, urteilte das OLG Bamberg, da trotz der Verwendung nicht-medizinischen Vokabulars ein bestimmter Wirkungszusammenhang zwischen dem beworbenen Produkt und der Funktion der Haut hergestellt werde. Solche gesundheitsbezogenen Angaben sind nach Art. 5 Abs. 1a HCVO jedoch nur zulässig, wenn die behauptete Wirkung wissenschaftlich nachgewiesen werden kann. Aus Sicht des Gerichts habe die Beklagte den Nachweis über die angebliche Wirkung des beworbenen Produkts nicht erbracht und wies daher die Revision der Beklagten gegen die ihr auferlegte Unterlassungsverfügung zurück (OLG Bamberg, Hinweisbeschluss v. 25.09.2017, Az: 3 U 117/17).

 

 

Health Claims Verordnung (HCVO)

Die unionsrechtliche Verordnung Nr. 1924/2006 oder auch bekannt als Health Claims Verordnung (HCVO) vom 20.12.2006 setzte erstmalig europaweite Regelungen zu nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben über Lebensmittel fest. Das zentrale Ziel der Verordnung ist insofern die Vereinheitlichung und Harmonisierung der bislang verschiedenartigen Regelungen der Mitgliedsstaaten zum Umgang mit gesundheitsbezogenen Werbeaussagen über Lebensmittel. Dabei gilt die Health Claims Verordnung nicht nur für Lebensmittel, sondern ebenso für Nahrungsergänzungsmittel, wie der Verweis in Art. 2 Abs. 1b HCVO auf die Begriffsbestimmung nach Art. 2 der Richtlinie 2002/46 EG darlegt.

 

Die begriffliche Trennung von nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben im Titel der Verordnung legt nahe, dass auch rechtlich zwischen beiden Aussagegruppen differenziert wird. So bezeichne „nährwertbezogene Angabe“

 

jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere positive Nährwerteigenschaften besitzt (…) (Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 HCVO).

 

Währenddessen sei eine „gesundheitsbezogene Angabe“

 

jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht (Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO).

 

Die HCVO unterstellt sodann beide Kategorien der Lebensmittelkennzeichnung auch je eigenen Bestimmungen:

 

Gesundheitsbezogene Angaben: Verbotsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt (Art. 10 HCVO)

Eine der wichtigsten Regelungen der HCVO ist das Verbotsprinzip mit Erlaubnisvorbehalt in Art. 10. Demnach sind gesundheitsbezogene Angaben grundsätzlich verboten, außer sie erfüllen die in Art. 10 genannten Voraussetzungen. Zu diesen Voraussetzungen gehört unter anderen der wissenschaftliche Nachweis über den angegebenen Wirkungszusammenhang (Art. 5 Abs. 1a), sowie dass die betreffende Angabe in der Gemeinschaftsliste zulässiger Angaben (EU-VO Nr. 432/2012) enthalten ist (Art. 13).

 

Die Gemeinschaftsliste zulässiger Angaben ist das Ergebnis eines mehrjährigen Prozesses, indem die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die Prüfung und wissenschaftliche Bewertung von rund 44.000 gesundheitsbezogenen Angaben vornahm, die zuvor von den Mitgliedsstaaten eingereicht worden waren. Die Europäische Kommission genehmigte schließlich am 16. Dezember 2012 die in der Verordnung 432/2012 abgedruckte Liste. Die Gemeinschaftsliste formuliert für jede der aufgelisteten Nährstoffe, Substanzen, Lebensmittel und Lebensmittelkategorien die zugelassenen Angaben und benennt die Anforderungen, die ein Produkt erfüllen muss, um mit den vorgegebenen Angaben werben zu dürfen.

 

Für Vitamin C beispielsweise enthält die Gemeinschaftsliste unter anderem folgende Bestimmung:

 

 

Demzufolge dürfen nur solche Produkte mit der positiven Wirkung von Vitamin C auf die normale Funktion des Immunsystems während und nach intensiver körperlicher Betätigung werben, die ausreichend Vitamin C enthalten, damit ihr Verzehr eine tägliche Aufnahme von 200 mg Vitamin C gewährleistet. Zumal muss das Produkt einen Hinweis enthalten, dass sich die positive Wirkung einstellt, wenn zusätzlich zu der empfohlenen Tagesdosis an Vitamin C täglich 200 mg eingenommen werden.

 

Die gesamte Liste der zugelassenen Angaben sowie die Voraussetzungen ihrer Verwendung sind auch über das Unionsregister einsehbar, einer interaktiven Datenbank, die über die Webseite der Kommission für jedermann zugänglich ist.

 

Sonderfall: Angaben über die Verringerung eines Krankheitsrisikos sowie Angaben über die Entwicklung und Gesundheit von Kindern (Art. 14 HCVO)

 

Eine Ausnahme der soeben aufgeführten Regelungen bilden gesundheitsbezogene Angaben i.S.d. Art. 14. Das sind Angaben über die Verringerung eines Krankheitsrisikos sowie Angaben über die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern.

 

Der Begriff „Angabe über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos“ meine

 

jede Angabe, mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass der Verzehr einer Lebensmittelkategorie, eines Lebensmittels oder eines Lebensmittelbestandteils einen Risikofaktor für die Entwicklung einer Krankheit beim Menschen deutlich senkt“ (Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO).

 

Hingegen mangelt es in der Verordnung an einer Definition des Begriffs „Angaben über die Entwicklung und Gesundheit von Kindern“. Laut Rechtsprechung des BGH handle es sich hierbei um Angaben, die ausdrücklich einen Zusammenhang zwischen dem Verzehr eines Lebensmittels oder eines seiner Bestandteile und einer Funktion des kindlichen Organismus behaupten sowie auf die Gesundheit und Entwicklung bezogene Angaben, die speziell zum Verzehr durch Kinder bestimmt sind (BGH, Urteil vom 10.12.2015, Az: I ZR 222/13).

 

Für Angaben dieser beiden Kategorien sieht die Verordnung besondere Bestimmungen vor, sodass sie nicht über die Aufnahme in die Gemeinschaftsliste (siehe oben) zugelassen werden können, sondern ein Einzelzulassungsverfahren nach den Art. 15 ff. durchlaufen müssen.

 

 

Nährwertbezogene Angaben

Auch die Verwendung nährwertbezogener Angaben ist nach Art. 8 HCVO nur zulässig, wenn die im Anhang der Verordnung explizit aufgeführten Anforderungen erfüllt sind. Zum Beispiel dürfe ein Produkt nur dann als „fettarm“ deklariert werden, wenn das Produkt weniger als 3 g Fett pro 100g im Fall von festen Lebensmitteln oder weniger als 1,5 g Fett pro 100 ml bei flüssigen Lebensmitteln enthält.

 

Für vergleichende Angaben gelten wiederum gesonderte Bestimmungen (Art. 9 HCVO).

 

 

Weitere HCVO-Bestimmungen: Nährwertkennzeichnung und Nährwertprofile

Die HCVO enthält darüber hinaus noch weitere Bestimmungen zu nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben über Lebensmittel, wie die Nährwertkennzeichnungspflicht und die Einführung von Nährwertprofilen.

 

Laut der HCVO besteht bei der Verwendung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben die Verpflichtung auch eine entsprechende Nährwertkennzeichnung vorzunehmen (Art. 7 HCVO). Seit Inkrafttreten der EU-Lebensmittelinformationsverordnung Nr. 1169/2011 (LMIV) im Dezember 2014 gilt jedoch für nahezu alle vorverpackten Lebensmittel eine EU-weite Pflicht zur Nährwertkennzeichnung unabhängig davon, ob nährwert- oder gesundheitsbezogene Angaben verwendet werden.

 

Schließlich verweisen die Bestimmungen der HCVO wiederholt auf sogenannte Nährwertprofile, zu denen es bislang jedoch keine einheitliche Regelung gibt. Im April 2016 entschied das europäische Parlament schließlich, die Nährwertprofile aus der HCVO zu streichen. Die Nährwertprofile hätten festlegen sollen, welche Grenzen ein Produkt nicht überschreiten darf, um mit nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angaben werben zu dürfen.

 

 

Folgen unzulässiger gesundheitsbezogener Werbeaussagen

Vertreiber von Gesundheitsprodukten, die unzulässiger Weise ihre Produkte mit gesundheits- oder nährwertbezogenen Aussagen bewerben, müssen mit kostspieligen Folgen rechnen.

 

Stellen die Aufsichtsbehörden einen HCVO-Verstoß fest, werden sie in der Regel zunächst eine Unterlassungsverfügung aussprechen. Diese kann im Ernstfall nach § 15 HWG mit Geldbußen von bis zu 15.000 Euro einhergehen. Eine Wiederholung des Fehlverhaltens trotz zuvor erfolgter Unterlassungsverfügung kann sogar mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr geahndet werden (§ 14 HWG).

 

Neben den staatlichen Aufsichtsbehörden können jedoch auch Konkurrenzunternehmen und Wettbewerbsverbände kostenbewährte Abmahnungen bei HCVO-Verstößen aussprechen. Eine Abmahnung im wettbewerbsrechtlichen Sinn ist kurzgefasst, die Feststellung einer wettbewerbswidrigen Handlung verbunden mit der Aufforderung, eine strafbewährte Unterlassungserklärung abzugeben. Die wettbewerbswidrige Handlung liegt in diesem Fall in der Verwendung nicht zugelassener gesundheits- oder nährwertbezogener Angaben. Denn dabei handelt es sich um einen Verstoß gegen Art. 10 HCVO, welcher als Marktverhaltensregelung i.S.d. § 3a Abs. 1 UWG zu qualifizieren ist und damit eine Abmahnung bewirken kann. Die Rechtsprechung begründet die wettbewerbsrechtliche Einordnung des Art. 10 HCVO damit, dass die Missachtung der Bestimmung dazu geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von Mitbewerbern und Verbrauchern i.S.d. § 3 Abs. 1 UWG aF spürbar zu beeinträchtigen (so z.B. BGH, Urteil v. 10.12.2015 – I ZR 222/13; BGH, Urteil v. 09.10.2013 – I ZR 162/13, BGH, Urteil v. 17.01.2013 – I ZR 5/12).

 

Eine Abmahnung enthält typischerweise die Aufforderung, eine strafbewährte Unterlassungserklärung abzugeben, für welche häufig ein Musterschreiben beigefügt wird. Gegenstand einer solchen Erklärung ist die Verpflichtung, das abgemahnte Verhalten in Zukunft zu unterlassen und bei einem Verstoß, d.h. sollte sich das Verhalten doch wiederholen, eine im Ermessen des Gläubigers stehende Vertragsstrafe zu zahlen. In jedem Fall sollte eine Unterlassungserklärung nicht ohne vorherige anwaltliche Prüfung unterzeichnet oder eigenständig geändert werden.

 

Angesichts der erheblichen Folgen bei HCVO-Verstößen, sollten Vertreiber von Gesundheitsprodukten im Vorfeld genau prüfen und sich bei Bedarf anwaltlich dazu beraten lassen, in welchem Rahmen sie für Nahrungsergänzungsmittel, Kuren, Diät- oder auch Kosmetikprodukte mit gesundheitsbezogenen Aussagen werben dürfen.

 

 

Warinka Röschmann

Tim Reichelt (Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht)

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