Der Praxisübergabe nachfolgende „unkündbare Anstellung“ des Praxisübergebers doch kündbar?(§ 103 Abs. 4 b SGB V)
Die einer Praxisübergabe nachfolgende Anstellung des Praxisübergers ist arbeitsrechtlich nicht ohne Risiko, sofern sich der Praxisübergeber als nunmehr Angestellter Arzt wissentlich nicht an seine arbeitsvertraglichen Pflichten hält. In einem vom Arbeitsgericht Hagen (18.01.2011, Az: 5 Ca 1324/10) entschiedenen Fall, ist einem angestellten Arzt nach erfolgter Praxisübergabe von den Praxisübernehmern erfolgreich fristlos gekündigt worden. Dies, obwohl die Parteien die ordentliche Kündigung für die ersten drei Jahre der Beschäftigung arbeitsvertraglich ausgeschlossen hatten und dem Arzt Bestandsschutz gewährt werden sollte. Die Kündigung beruhte auf dem Sachverhalt, dass der Angestellte Arzt seit jeher Kurzgutachten zur Vorlage beim Straßenverkehrsamt sowie für den Tauchsport für Patienten erstellte. So auch in dem hier zu entscheidenden Fall, indem der Arzt nach der Erstellung des Kurzgutachtens für zwei Patienten diese Atteste mit (seinem) dem ehemaligen Praxisstempel ausstellte. Zudem behielt der Arzt das Honorar in Höhe von 17,43 EUR sowie 25,00 EUR für sich ein, ohne dies in irgendeiner Form in der Buchhaltung der Praxis kenntlich zu machen. Dem Arzt war dieses Vorgehen arbeitsvertraglich untersagt. Entsprechend erfolgte nach Bekanntwerden seines Vorgehens die fristlose Kündigung des Arbeitsvertrages. Das Gericht stellt im folgenden Kündigungsschutzprozess u.a. fest, dass ein solches Vorgehen ein begangenes Eigentums- und Vermögensdelikt durch den Arzt sowie einen eklatanten Vertrauensbruch darstellt. Dies insbesondere deshalb, da der Arzt sein Vorgehen – durch den „falschen“ Stempel sowie der nicht der Buchhaltung der Praxis zugänglich gemachten Abrechnungen der Honorare – zu vertuschen versuchte. Gleichwohl fiel auch die Interessenabwägung für den Arzt negativ aus, da das Vertrauen in die Redlichkeit und Zuverlässigkeit des Arztes irreparabel zerstört sei. Dieser Fall ist deshalb von besonderer Bedeutung, da die weit verbreitete Praxis der Anwendung des § 103 Abs. 4b SGB V für den Praxisübergeber mit einigen Risiken verbunden ist. Es ist in diesem Zusammenhang nicht unüblich, die Kaufpreisabsprache der Praxis oder des Praxisanteils zwischen den Parteien zu reduzieren und den Arzt unter entsprechender Bezahlung auf einen festen Zeitraum ohne arbeitgeberseitige ordentliche Kündigungsmöglichkeit anzustellen. Häufig fällt dem übergebenden Arzt die Umstellung in die Anstellung nicht leicht ,da nunmehr in der Regel die gesamte Leitung der Praxis von einem Tag auf den anderen nicht mehr in seinen Händen liegt. So kann es zu der eigentlich mit Bestandsschutz gewährten Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Arztes kommen, gleichwohl ggf. ein Teil des Kaufpreises über die entsprechende Lohnabrede im Rahmen des Arbeitsvertrages hätte fließen sollen. Besondere Beachtung ist aus Sicht des Übergebers mit einer nachfolgenden Anstellung daher dem Arbeitsvertrag in seinen darin enthaltenen Rechten und insbesondere Pflichten zu schenken, sodass eine vom Grundsatz her immer mögliche außerordentliche Kündigungsmöglichkeit der Praxisübernehmer vermieden wird.
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